Hemmungslos (Bettauer-Retrospektive): Ein Kriminalroman aus dem Jahr 1920

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Der erste Rand der großen Bettauer-Retrospektive
Der politisch visionäre Roman von Hugo Bettauer veranschaulicht das Sittenbild der 1920er Jahre und wirft brandaktuelle Fragen nach Schuld und Sühne in Krisenzeiten auf. Desillusioniert und völlig verarmt kehrt der ehemalige Freiherr Kolomann von Isbaregg aus dem verlorenen Ersten Weltkrieg zurück und findet sich in der gesellschaftlichen Neuordnung nicht mehr zurecht: Weder seine adelige Herkunft noch seine militärischen Leistungen für die untergegangene k. und k Monarchie Österreich-Ungarn, sind noch einen Deut wert.
Isbareggs einziges Kapital sind seine guten Manieren und sein attraktives Äußeres, mithilfe derer er die vornehme Wiener Gesellschaft hemmungslos täuscht, um auf deren Kosten ein standesgemäßes Leben zu führen. Betrug, Raub und Mord gehören fortan zum Alltag des gefallenen Adeligen, der trotz aller Zwiespältigkeit und vorsätzlicher Rohheit für kurze Momente einen letzten Funken sozialen Gewissens besitzt. In seinen destruktiven Beziehungen zu Frauen spiegelt sich die Zerrissenheit Isbareggs wider, Sieger über die Moral bleibt aber seine Gier nach Status und Reichtum.
In seinem Kriminalroman HEMMUNGSLOS, einem Sittenbild der ersten Jahre der Zwischenkriegszeit, gelingt es Hugo Bettauer in grellen Bildern und gnadenlos überzeichneten Klischees die massiven, gesellschaftlichen Umwälzungen nach Ende des Ersten Weltkriegs darzustellen: Seine Welt der 1920er Jahre ist schwer gezeichnet vom Aufeinandertreffen unterschiedlicher Gesellschaftsentwürfe, von feministischem Aufbegehren versus erzkonservativer Rollenbilder und einem zutiefst wienerischen Antisemitismus.
HEMMUNGSLOS: Das Requiem einer untergegangenen Gesellschaft aus der Feder des Autors von Stadt ohne Juden. Dieser erste Band aus der großen Bettauer-Retrospektive legt den Grundstein, dem durch die Verbotspolitik des NS-Regimes fast in Vergessenheit geratenen Bettauer wieder eine ihm gebührende Bühne zu bieten.

ስለደራሲው

Geboren am 18.8.1872 in Baden bei Wien, gestorben am 26.3.1925 in Wien.
Der Sohn eines Börsenmaklers verbrachte seine Schulzeit in Wien. 1899 übersiedelte er nach New York und wurde amerikanischer Staatsbürger. Als Journalist ging er nach Berlin; dort griff er die Berliner Polizei und preußische Beamte wegen Bestechlichkeit an. Nachdem er die Korruption des Direktors der Berliner Hoftheater aufgedeckt hatte, der darauf Selbstmord beging, mußte Bettauer Preußen verlassen.
Er ging nach Hamburg, 1904 wieder nach New York, wo er als Reporter der »Deutschen Zeitung« und als Schriftsteller arbeitete; er schrieb Fortsetzungsromane für die Einwanderer. 1910 kehrte er nach Wien zurück und verfaßte bis 1924 eine Reihe von Kriminalromanen. Ab 1924 war er Mitherausgeber von Sie und Er. Wochenschrift für Lebenskunst und Erotik; die Zeitschrift wurde als sittengefährdend beschlagnahmt. In dem anschließenden Prozeß wurde er zwar freigesprochen, aber von Antisemiten verfolgt und in seiner Redaktion am 10. März 1925 vom Nationalsozialisten Otto Rothstock in seiner Redaktion in der Langen Gasse niedergeschossen und erlag zwei Wochen später seinen Verletzungen.
Er ist somit das erste Opfer von NS-motivierter politischer Gewalt in Österreich, was auch in Nachrufen u. der publizistischen Debatte explizit zum Ausdruck kam.

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