Hara Kiri
Eine düstere Epoche: man schreibt das Jahr 1793 und in der Gosse wird die Leiche eines Mannes gefunden, dem alle Gliedmaßen entfernt wurden. Jurist Cecil Winge und ehemaliger Stadthäscher Jean Michael Cardell sollen den Mörder und die Hintergründe der Tat entlarven. Doch sie stehen vor einer Wand des Schweigens. Scheinen doch höhergestellte Menschen, die Aufklärung verhindern zu wollen. Das Buch ist aufgeteilt in 4 Teile. Teil 1: das Auffinden der Leiche, das Kennenlernen von Mickel und Cecil und deren Suche nach dem Mörder. Teil 2: der Mörder und wie er dazu wurde Teil 3: das Mädchen, das der Hurerei bezichtigt wird Teil 4: die finale Jagd auf den Mörder Ich fand ein wenig schwer in die Handlung, weil die Sprache ein klein wenig den damaligen Verhältnissen angepasst war und ich so etwas brauchte, bis ich auch die Namen und die Hintergründe ein bisschen besser verstanden habe. Teil zwei und drei fand ich aber sofort gelungen. Allerdings hätte ich mir gewünscht, dass die 3 Teile nicht nacheinander erzählt werden, sondern abwechselnd miteinander. Das hätte nicht so den Eindruck erweckt, dass es 3 Kurzgeschichten in einem Buch sind. Denn die beiden Teile starten einfach ohne Erklärung mit den jeweiligen neuen Personen, was mich anfangs verwirrt hat. Doch die Geschichten der beiden neuen Protagonisten braucht es. Und die haben es echt in sich. Niklas Natt ogg Dag schreckt auch vor grausamen Szenen nicht zurück und so manche Made kriecht durch einen toten Körper. Tief bewegt hat mich das Schicksal von Anna Stina. Mit der konnte ich so gut mitfühlen und ich fand sie so mutig und liebenswert. Auch bei ihrer Flucht aus der Spinnerei war ich live dabei und habe ihr alle Daumen gedrückt. Sehr gern mochte ich auch Cecil, nur ist der ja leider krank und steht für eine eventuelle Fortsetzung eher nicht zur Verfügung. Fazit: man spürt die düstere Epoche in jeder Zeile. Dem Autor gelingt es, einen Mord in einen historischen Rahmen einzubetten und diesen ohne DNA-Spuren und die Mittel der heutigen Zeit zu lösen. Ich habe mich, bis auf den Anfang, sehr wohl in dem Buch gefühlt und die Seiten – vor allem im Mittelteil – geradezu verschlungen.
Sa Brins
Stockholm im Jahre 1793 - Als Schauplatz für seinen Debütroman hat Niklas Natt och Dag die Stadt Stockholm im Jahr 1793 gewählt. Der Kriegsveteran Jean Michael (Mickel) Cardell birgt ein verrottetes Bündel aus dem Fatburen, der Stadtkloake Södermalms. Es handelt sich um die brutal verstümmelten Überreste eines Menschen, dem sämtliche Gliedmaßen sowie die Augen, die Zähne und die Zunge entfernt wurden. Cardell lässt dieser grausige Fund nicht mehr los und so schließt er sich dem Juristen Cecil Winge an, welcher für die Stockholmer Polizeikammer „besondere Verbrechen“ untersucht, um ihn bei der Aufklärung des Verbrechens zu unterstützen. Doch je mehr die beiden Ermittler über die Identität des Toten herausfinden, desto grausiger sind die menschlichen Abgründe, in die sie hierbei blicken… Mit „1793“ ist Niklas Natt och Dag ein außergewöhnliches Debüt gelungen, welches mich von der ersten bis zur letzten Seite fasziniert und gefesselt hat. Aufgrund der bildhaften Sprache, welche zudem an die damalige Zeit angepasst ist, konnte ich mich wirklich gut in das düstere und dreckige Stockholm des 18. Jahrhunderts hineinversetzen. Besonders die Lebensumstände der Bevölkerung, insbesondere auch in den Armenvierteln der Stadt, wurden sehr authentisch dargestellt und man merkt, wie viel Recherche der Autor in seinen Roman gesteckt hat. Herausgekommen ist ein spannender Mix aus historischen Fakten und fiktiven Ereignissen und Charakteren, eine gelungene Genremischung aus einem Historienroman und einem Krimi. Die Handlung selbst ist in vier Abschnitte unterteilt: Alles beginnt mit dem Fund des namenlosen Leichnams im Fatburen, welchen Cardell und Winge auf den Namen Karl Johan taufen, im Herbst 1793. Um die Hintergründe dieses grausamen Verbrechens zu beschreiben springt der Autor zunächst in den Sommer und den Frühling desselben Jahres zurück, um anschließend die verschiedenen Handlungsstränge im Winter 1793 zu einem dramatischen Finale zusammenzuführen. Gekonnt verwebt der Autor die verschiedene Charaktere und ihre Hintergrundgeschichten zu einem großen Ganzen, sodass am Ende die Hintergründe des grausigen Schicksals Karl Johans schonungslos offenbart werden. Besonders gut gefallen haben mir, neben dem tollen Cover, welches perfekt auf die Handlung des Buches abgestimmt wurde und ein echter Hingucker ist, auch die beiden Hauptcharaktere Cecil Winge und Mickel Cardell. Winge ist Jurist und ein Vertreter der Aufklärung, welcher unheilbar an Tuberkulose erkrankt ist, während Cardell ein traumarisierter Veteran und eher ein Mann fürs Grobe ist. Obwohl die beiden unterschiedlicher nicht sein könnten, so eint sie doch das Verlangen nach Gerechtigkeit. Der Aufbau, die Spannung und die Intensität von „1793“ haben mich wirklich beeindruckt, sodass es von mir eine klare Leseempfehlung gibt!
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Nadja G.
Stockholm im Jahre 1793: Der durch das Schicksal gebeutelte ehemalige Soldat Jean Michael Cardell findet eine furchtbar entstellte Leiche im Stadtfluss in Stockholm im Wasser treiben. Durch den schrecklichen Zustand der Leiche und seines brillanten Kopfes, wird der Jurist Cecil Winge mit dem Fall betraut. Doch ahnt er noch nicht welche Schicksale mit der Tat verbunden sind und welche weitreichende Hintergründe sich dahinter verbergen. Das Buch teilt sich in vier Abschnitte, deren Handlungen anachronistisch vom Fund der Leiche zurück in die Vergangenheit reichen und aus verschiedenen Perspektiven von Menschen beschrieben werden, von einige wenig bis gar nichts mit dem Fall zu tun haben. Dadurch zeigt der Autor wie weit und gründlich seine historischen Recherchen gehen und beschreibt verschiedene Aspekte des Lebens und der Zeit damals. Dadurch bekommt man ein Gefühl für die Epoche und die Stimmung der Gesellschaft. Es wird ein düsteres Bild gezeichnet voll Leid, Schmerz, Krankheit, Lügen, Intrigen, Folter, Tod, Kriminalität, Drogen, Prostitution, Brutalität und gesellschaftlicher Ausgrenzung, die das schwere Leben prägten. Inmitten dieser menschenfeindlichen Atmosphäre scheint es paradox, dass gerade einer schlimm entstellten Leiche solch große Aufmerksamkeit, zumindest von Cardell und Winge, zuteilwird, wo doch überall andere wegen Kleinigkeiten (beinahe) getötet werden. Der Schreibstil ist der Zeit angemessen. Es fiel mir jedoch schwierig den Ereignissen zu folgen, da viele Straßennamen und Ortsnamen auftauchen und unablässig wiederholt werden mit denen ich nichts anfangen konnte und die nur gestört haben. Es wurden zudem altertümliche Begriffe verwendet, die zwar zur Epoche passen, das Lesen aber ungemein erschwerten, sodass ich mich schon sehr konzentrieren musste um den Worten folgen zu können. Das trifft allerdings nur auf den ersten Abschnitt zu. Danach hatte ich seltsamerweise keinerlei Probleme mehr damit und empfand den Schreibstil als sehr angenehm. Die Charaktere bleiben sehr distanziert und ich konnte kaum Bindung oder Sympathien für sie empfinden, obwohl ich finde, dass Winge und Cardell das Herz am rechten Fleck haben, betrachtet man die Umstände, unter denen sie leben. Der Perspektivwechsel hat für mich immer wieder frischen Wind reingebracht und die Lesefreude erhöht. Dadurch wurde auch langsam aber stetig Spannung aufgebaut, wenn auch nicht so wie man es von einem Krimi erwarten würde. Dafür standen die historischen Bezügen zu stark im Vordergrund. Insgesamt ein gelungenes Werk, umfassend und detailliert recherchiert und glaubhaft dargestellt. Nur der Schreibstil war mir anfangs zu holprig und die Geschichte zog sich oft unnötig in die Länge, was die Lust am Weiterlesen verringerte.