1. 1 Rekonstruktion narrativer Identität: Eine neue Sicht auf das narrative Interview In den letzten 15 Jahren ist das "narrative Interview" zur bevorzugten Me thode von biografisch orientierten und an subjektiven Erfahrungswelten in teressierten Forscherinnen und Forschern geworden. Im Rahmen des inter pretativen Paradigmas hat es sich für eine Vielfalt von Fragestellungen und mit ganz unterschiedlichen Gruppen von Informanten bewährt. Worin begründet sich die Beliebtheit des Verfahrens in der Forschungs landschaft? Zum einen besticht sicherlich die Möglichkeit, die alltagsprak tisch relevante und allgegenwärtige Kommunikationsform des Erzählens als eine (scheinbar) einfache, relativ voraussetzungslose und technisch unkom plizierte Methode der Datenerhebung zu nutzen. Die Aufforderung zum Er zählen scheint unmittelbar in das Zentrum der subjektiven Erfahrungen und Sichtweisen unserer Probanden zu führen und sie auch kaum vor Schwierig keiten der Vermittlung zu stellen - schließlich können wir davon ausgehen, dass in unserer Kultur jeder mehr oder weniger ausführlich erzählen kann, "wie alles gekommen ist". Das narrative Interview eröffnet den Zugang zur biografischen Selbstdeutung der Befragten, indem es ihnen ausgezeichnete Möglichkeiten des Ausdrucks und der Setzung ihrer persönlichen Relevan zen gibt. Damit befriedigt es auch die Forscherio in ihrem eigenen Bedürfnis nach einer gelungenen Kommunikation und Teilhabe an anderen Lebens welten. Kurzum, das narrative Interview bietet beste Voraussetzungen, um den methodischen wie den ethischen Standards qualitativer Sozialforschung gerecht zu werden. Die Vielfalt der Forschungsinteressen, für die das narrative Interview mittlerweile eingesetzt wird, können nicht mit einem einzigen, allen Zwecken gleicher Maßen angemessenen Auswertungsverfahren erfasst werden.