Wie fast allen Werken Diderots liegt auch diesem Werke eine Thatsache zu Grunde. Im Jahre 1757 strengte eine Nonne des Klosters Longchamp einen Prozeß gegen ihre Eltern an, die sie gezwungen hatten, den Schleier zu nehmen. Der damals noch allmächtige Klerus verstand es, alle Versuche des unglücklichen Opfers, sich dem ihm aufgedrungenen Berufe zu entziehen, zu unterdrücken, und selbst der von der Unglücklichen in Scene gesetzte öffentliche Skandal hatte keine andere Wirkung, als der Ärmsten eine noch schlimmere Behandlung zu verschaffen, die in ihrer ausgesuchten Grausamkeit vor den gewagtesten Mitteln nicht zurückschreckte. Aber trotz aller Vertuschungsversuche der Geistlichkeit drang doch einiges von dem Prozeß in die Öffentlichkeit; einige wohlwollende Leute bemächtigten sich der Sache; doch all ihr Bemühen war vergeblich, die Unglückliche blieb in den Händen der Geistlichkeit, und wer weiß unter welch körperlichen und seelischen Martern man sie in majorem Dei gloriam zu Tode gemartert hat. Denis Diderot (1713-1784) war ein französischer Schriftsteller, Philosoph, Aufklärer und einer der wichtigsten Organisatoren und Autoren der Encyclopédie. Diderot trat in seinen Werken für die Verbreitung des Geistes der Aufklärung, den Atheismus und gegen Aberglauben und Bigotterie ein. Diderot und seine Mitstreiter, die philosophes, überließen nicht mehr der Kirche und ihren Agenturen die alleinige Deutungs- und Interpretationshoheit über die Welt und die Wissenschaften. Somit gab es für übernatürliche und irrationale Kräfte im aufgeklärten Europa sowie in Nord- und Südamerika weniger Raum.