Der junge Goedeschal (Roman)

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Wozu ärgern?, dachte Kai und warf das Heft, das sich rasch zublätterte, auf den Tisch zurück. All das ist Paukergeschwätz oder Seich, Neid. Die Eins gibt er mir! - Und dann sein Hohn? Warum? Er warf sich in den Langstuhl, brannte eine Zigarette an. Den Rauch wolkig ausstoßend, dachte er weiter: Im Grunde hat er so unrecht nicht. Natürlich war der Aufsatz stark beeinflußt. Aber mir das so aufzutischen vor der ganzen Blase von Konpennälern: "Eine wackere Leistung, Goedeschal, wir haben Wilde gelesen. Gut nachempfunden" - darin lag die Gemeinheit! Er stand unruhig auf und zerdrückte die Zigarette im Becher. Alles Einbohren, Erwägen half zu nichts, der Stachel blieb. Und es war umsonst, sich einreden zu wollen, daß diese zwei, drei Sätze von Tappert belanglos und zufällig gewesen seien. Eine geheime Feindschaft hatte aus ihnen geklungen. Kai Goedeschal fuhr hoch. Mit den Fingern sein Haar strählend, ein wenig Pose, sagte er halblaut: "Er hat mich demütigen wollen. Als er diesen Aufsatz las, den ich in einigen Nachtstunden glühend und zitternd schrieb, spürte er wohl die Auflehnung: ich, Obersekunda, ein Name mit einer grüngoldenen Schülermütze, verstattete ihm in etwas Einsicht, ohne zugleich zu bemerken: 'Das verdanke ich Ihnen.' Nein. Indem er meinen einsamen Wanderungen zuschaute, in denen nichts war als das Rascheln von Blättern, der Wind, irgendwo oben in Bäumen, manchmal ein weiter Blick oder der Ton eines jener Jagdhörner, die Eichendorff so liebte, - fühlte er, wie stark ich ablehnte, was er, schwach, verfälscht, verwässert gelehrt. Hier war Revolution, Neuland, Eigenes. Gab er mir uneingeschränkt die Eins, erkannte er diese Auflehnung an. So schrie er: ich kenn das auch! Wie des Swinegels Fru: ick bin all do! - Nachempfunden! Wer hat ihn mehr, wer fühlt ihn tiefer: Tappert oder Goedeschal? Es ist und bleibt eine Schweinerei, daß es immer nur heißt: Lehrer - Schüler, nie: Mensch - Mensch." Im Spiegel fing Kais Blick die Bewegung der Lippen, wie sie sich unter den letzten Worten auseinandertasteten, wölbten. Er beugte sich vor, Zittern stieg in ihm auf. Dieses beinahe dreieckige, gelbliche Gesicht, von vier, fünf eintönigen Linien umzogen, war entfärbt durch die Glut eines breiten, seltsam dem Zittern von Libellenflügeln gleichenden Mundes. Aufgebogen, fleischig aus den Innerlichkeiten des Leibes mündend, mit einem fast blutendem Rot, dessen Struktur an rohes, hautloses Fleisch mahnte, bildete er einen Gegensatz zu der noch unbeschriebenen Leere ...

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Hans Fallada (Rudolf Ditzen) lebte von 1893 bis 1947 und war ein deutscher Schriftsteller.

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