Die Wahrheit der anderen: Roman

· Verlag Kremayr & Scheriau
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192
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Über dieses E-Book

Eine Gruppe pakistanischer Flüchtlinge protestiert gegen das Asylgesetz und besetzt eine Kirche. Uwe Tinnermanns, Journalist einer Boulevardzeitung, wittert seine Chance für beruflichen Aufstieg und startet eine Kolumne, um über das Protestlager zu berichten. Allerdings ist die Realität recht unspektakulär, weshalb er die Ereignisse ausschmückt, nach eigenem Gutdünken dramatisiert und die Pakistanerin Veena Shahida als Symbolfigur des Protests in Szene setzt. Damit erlangt die Protestbewegung zwar öffentliche Aufmerksamkeit, die Chancen auf Asyl verschlechtern sich aber vor allem für Veena Shahida, deren Geschichte zunehmend unglaubwürdig erscheint. Ihre Anwältin Birgit Toth versucht den Fall mit allen Mitteln durchzubringen und stellt sich gegen den Protest. Wer sagt die Wahrheit und welche Wahrheit hat vor Gericht und vor der Öffentlichkeit Bestand?

Daniel Zipfel widmet sich auch in seinem neuen Roman den Grauzonen der Asylpolitik. Auf gleichermaßen spannende wie eindringliche Weise zeigt er, wie es um das Schicksal von Menschen steht, wenn persönliche Interessen im Spiel sind und dass die Wahrheit weitaus komplexer als ihre.

"Fakten", sagte er. "Nüchterne Fakten. Das brauchen die Antragsteller, das braucht die
Bevölkerung. Keine Mitleidsgeschichten, nein, das braucht wirklich niemand."

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Missy Mesmerized (miss mesmerized)
3. April 2020
Nach dem Tod eines asylsuchenden Pakistaners ist die Stimmung in Wien aufgeheizt. Auf einem zentralen Platz demonstrieren Freunde des Toten und Sympathisanten gegen Polizeigewalt und Asylpolitik. Der Journalist Uwe Tinnermans, der für das Boulevardblatt Metro schreibt, wittert seine Chance auf einen Scoop und tatsächlich gelingt ihm ein aufsehenerregendes Foto mit der jungen Pakistanerin Veena Shahida und einem Polizisten. Dass die Situation sich real ganz anders darstellte als das, was man beim ersten Blick auf dem Bild zu erkennen glaubt – geschenkt. Zunächst ist die junge Frau verärgert darüber, ohne Zustimmung überall ihr Gesicht zu sehen, doch dann glaubt sie in dem Reporter jemanden gefunden zu haben, der für sie kämpft und ihr zu einem Aufenthaltstitel verhelfen kann. Ganz im Gegensatz zu ihrer Anwältin, zu der sie das Vertrauen verloren hat. Ein Journalist voller Sensationsgier und bereit für den großen Sprung auf der Karriereleiter und eine Gruppe von wütenden Asylbewerbern – eine brisante Mischung, die die österreichische Hauptstadt aufzumischen droht. Daniel Zipfel ist studierter Jurist und im Bereich der Flüchtlingsarbeit gearbeitet, weiß also, worüber er schreibt. Mich hat der Roman aufgrund der immer noch aktuellen Thematik gereizt, vor allem die Spannung zwischen realen Geschehnissen und deren Darstellung in und Instrumentalisierung durch die Medien finde ich ein problematisches, wenn auch ausgesprochen interessantes Motiv. Die Umsetzung gelingt dem Autor hervorragend und noch viel mehr als erwartet zeigt er auf, an welchen Stellen Wahrheit und Erzählung auseinanderfallen können und wie ganz individuelle Motivationen nachhaltig den Verlauf der Dinge beeinflussen können. „Wir sind Welterzähler. Wir vereinfachen eine Welt, die zu kompliziert geworden ist.“ (S. 170) Die Rolle der Medien ist eine ganz wesentliche in unserer Welt. Es ist völlig unstrittig, dass viele Konflikte und Sachverhalte für den Durchschnittsmenschen nicht mehr über- oder durchschaubar sind und dass Zeitung, Fernsehen und zunehmend auch Internet hier eine Vermittlerrolle übernehmen müssen, um Aufklärung und Information zu betreiben. Als sogenannte vierte Gewalt kommt den Medien zudem ein Kontrollauftrag zu, der in einer Demokratie auch nicht zu unterschätzen ist. „Seit wann stört es dich, wenn man da und dort ein wenig nachhilft?“ (S. 122) Wer jedoch kontrolliert die Medien? Sie selektieren, viele Ereignisse kommen gar nicht erst durch oder müssen sich mit einer kleinen Randnotiz begnügen. Im Roman gehen die beiden Journalisten Tinnermans und sein Mentor Brandt jedoch noch weiter: sie berichten ohne Faktenlage, reimen sich Dinge zusammen und schreiben gnadenlos ab. Sie schaffen neue Kontexte und damit Wahrheiten, die es vorher nicht gab. Wo Brandt durch seinen Alkoholgenuss gelegentlich einen Ausfall versucht zu kaschieren, geht Tinnermans noch weiter. Ihm fehlt jeder ethische Grundsatz und rücksichtslos bedient er sich der Menschen für seine eigenen Zwecke – auch wenn er sie dadurch wissentlich ins Verderben schickt: ob sie jetzt durch ihren Hungerstreik zusammenbrechen oder letztlich abgeschoben werden, so lange er seine Geschichte hat, ist für ihn alles in Ordnung. Thematisch brisant und aktuell besticht der Roman für mich jedoch noch deutlich mehr mit der geschickt aufgezeigten Doppelbödigkeit der vermeintlich objektiven Wirklichkeit. Immer wieder muss man seine Meinungen revidieren und Fakten neu bewerten. Die
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Autoren-Profil

Daniel Zipfel, geboren 1983 in Freiburg im Breisgau, lebt und arbeitet in Wien als Autor und Jurist in der Asylrechtsberatung. Zahlreiche Stipendien und Preise: u.a. Förderungspreis der Stadt Wien 2017, Longlist des MDR-Literaturwettbewerbs 2014, Start-Stipendium des BMUKK 2013. Sein Romandebüt "Eine Handvoll Rosinen" erschien im Jahr 2015 und wurde mit der Buchprämie der Stadt Wien und des Bundeskanzleramts Österreich ausgezeichnet.

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