Die liberale Theologie in Jena im ausgehenden 19. Jahrhundert ist als eigenständige Form liberaler Theologie im Sinne einer theologischen Richtung zu verstehen. Der Verfasser erhebt die fundamentaltheologischen und exegetischen Grundlagen der liberalen Jenaer Theologie in der Zuordnung von Glaube und Vernunft, Teleologie und Kausalität und entsprechend Theologie und Philosophie. Die Protagonisten (Richard A. Lipsius, O. Pfleiderer, A. Hilgenfeld u.a.) verknüpfen die kategorialen Grundannahmen Kants, Schleiermachers und Hegels, um die empirischen Materialien der Religionsgeschichte in ihrer Eigenständigkeit zu würdigen, ohne sich einer begrifflichen Ordnung zu entziehen. Im Anschluss an Semler und Schleiermacher wird der Religionsbegriff zum Leitbegriff, da Religion als Lebensvorgang dem Reflexionsgeschehen Theologie vorausgeht und zur Grundanlage der menschlichen Natur gehört. Religiosität ist im subjektiven Geistesleben zu verorten, hat aber in der Beziehung des göttlichen auf den menschlichen Geist einen vorgängigen, externen Bezugspunkt. Die religionsphilosophische Verankerung der Theologie bekommt in der Exegese ihr markantes Profil durch die Verschränkung von historischer Einzelforschung und spekulativer Geschichtskonstruktion, womit eine Eigenständigkeit und Bezogenheit von historischer und systematischer Theologie gegeben ist.