Die inhaltlichen und sprachlichen Gemeinsamkeiten der sogenannten Pastoralbriefe haben die bisherige Forschung zu der Annahme geführt, es handele sich bei diesen drei Briefen um intentional zusammengehörige Schreiben und demnach um „unzertrennliche Drillinge“ (Holtzmann). Da auf diese Weise jedoch die ebenfalls vorhandenen Differenzen zwischen den Briefen nicht hinreichend erklärt werden können, wagt die vorliegende Monographie einen neuen Zugang zur Pastoralbriefexegese: Die einzelnen Briefe werden nicht mehr als Teil eines „Corpus Pastorale“ verstanden, sondern als Einzelschreiben gewürdigt. Die Untersuchung zentraler Begriffe ermöglicht es, das Profil der einzelnen Schreiben herauszuarbeiten und dadurch das literarische Verhältnis der drei Briefe neu zu bestimmen. Im Ergebnis kann gezeigt werden, dass es sich bei dem ersten Timotheusbrief um den jüngsten der drei Briefe handelt. Dessen Verfasser setzt die beiden anderen Pastoralbriefe bereits als Teil der paulinischen Tradition voraus und rezipiert sie als Element seiner Autorfiktion. Diese Neubestimmung des literarischen Verhältnisses der Pastoralbriefe verändert nicht zuletzt die Voraussetzungen für das Verständnis der Entwicklung der Paulustradition.