Neunhundert Thesen: Zweisprachige Ausgabe

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Giovanni Pico della Mirandola war gerade einmal 23 Jahre alt, als er seine Neunhundert Thesen im Jahr 1486 in Rom mit der Schlussbemerkung veröffentlichen ließ, dass er persönlich jedem Gelehrten, der zur Disputation über die Thesen nach Rom kommen wolle, die Reisekosten erstatten würde. Pico hatte sich damit ein Ziel von bisher nie dagewesenen Ausmaßen gesetzt: Mit allen Gelehrten des Abendlandes wollte er vor dem Papst über alle Lehrsätze der verschiedenen Völker und deren Denker disputieren, über die Kabbala und die zoroastrischen Weisheitslehren wie über die verschiedensten Thesen des Neuplatonismus, der mittelalterlichen Scholastik, der Orphik und der arabischen und chaldäischen Weisheit. Das Ziel war die Versöhnung aller im Abendland bis dahin bekannten Autoritäten und die Zusammenführung der philosophischen und theologischen Traditionen des 15. Jahrhunderts zu einer christlichen Weisheit. Pico stellte sich die Veranstaltung als einen gewaltigen Kongress vor, für den die Neunhundert Thesen die Diskussionsgrundlage bilden sollten. Während die ersten 400 Thesen eine Zusammenstellung konfligierender Lehrmeinungen darstellen, sind die zweiten 500 »Thesen gemäß der eigenen Ansicht«, also – schon das ein unerhörtes Novum – ganz eigene Positionen Picos, die von der gängigen Art des Philosophierens abweichen. Allein – der Papst ließ 13 der Thesen auf den Index setzen und den gesamten Text verbieten. Die Versammlung, von der Pico geträumt hatte, fand niemals statt. Die bereits gedruckten Exemplare wurden eingezogen und zum Teil verbrannt. Pico wurde, nachdem er Rom verlassen hatte, verhaftet und exkommuniziert.

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Giovanni Pico della Mirandola wird 1463 als Sohn einer Adelsfamilie in Norditalien geboren. Bereits im Alter von 14 Jahren studiert Pico kanonisches Recht in Bologna, wendet sich aber ab 1478 der Philosophie an den Universitäten Padua und Ferrara zu. Er liest die Hauptwerke der aristotelischen, averoistischen, arabischen und jüdischen Tradition und steht knapp zehn Jahre später in Florenz im Zentrum des humanistischen Geisteslebens. Hier leitet Ficino unter Förderung der Medici eine „Platonische Akademie“, die sich neben philosophischen Gesprächen Übersetzungen platonischer Dialoge und hermetischer Schriften der Spätantike widmet. Pico selbst veröffentlicht 1486 900 Thesen zu theologischen und philosophischen Fragen, zu deren Diskussion er alle Gelehrten Europas nach Rom zusammenrufen wollte. Die Einleitung zu diesem gewaltigen Thesenkatalog, die posthum unter dem Titel Über die Würde des Menschen veröffentlicht wird, gilt als einer der berühmtesten Texte des italienischen Humanismus; in ihr betont Pico die Freiheit des Menschen und seine von Gott verliehene Fähigkeit, zur Schau der tiefsten Geheimnisse des Universums aufzusteigen. Papst Innozenz VIII. läßt jedoch 13 der Thesen Picos für häretisch erklären, worauf dieser nach Frankreich fliehen muß. Unter dem Schutz der Medici zurückgekehrt, verfaßt Pico einen Kommentar zur Schöpfungsgeschichte, der unter dem Namen Heptaplus posthum erscheint. Er gerät in seinen letzten Lebensjahren unter den Einfluß Savonarolas und stirbt, vermutlich vergiftet, im Jahre 1494 in Florenz.

Nikolaus Egel ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Zuletzt erschienen von ihm übersetzt und herausgegeben: Roger Bacons »Kompendium für das Studium der Philosophie« (PhB 683), »Opus maius« (PhB 697), die »Neunhundert Thesen« Giovanni Pico della Mirandolas (PhB 708) sowie J. L. Vives, »Gegen die Pseudodialektiker« (PhB 714).

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