Auf dieses Desiderat reagiert das Gryphius-Handbuch in mehrfacher Hinsicht: Als autonom benutzbarer Überblick informiert es, forschungsgeschichtlich perspektiviert, auf dem Stand der aktuellen Forschungsdiskussion zu Autor und Werk sowie zu deren zeitgenössischer wie nachfolgender Rezeption. Zugleich erproben die 38 textzentrierten Kapitel des plural angelegten Handbuchs das Erschließungspotential auch neuerer literatur- und diskurstheoretischer Ansätze. Strukturgebend ist die Kombination von Textzentriertheit und systematischer Verstrebung: Komplementär zu den Lektüren einzelner Werke oder Werkgruppen eröffnet das umfangreiche alphabetisch organisierte Kapitel »Systematische Aspekte« in zwölf Einträgen Perspektiven zu poetologischen Konzepten und historischen Rahmenbedingungen, wie sie für Gryphius’ Schreiben maßgeblich sind. Gegenüber der älteren Forschungstradition, sich auf wenige kanonische Sonette, Trauer- und Lustspiele zu konzentrieren, erweitern Artikel zu den Leichabdankungen, Oden, Übersetzungen und Bearbeitungen das Referenzcorpus beträchtlich. Dabei zeigt sich: auch diesen Texten ist eine eigene Ästhetik zuzutrauen, die sich gegenüber geschlossenen Deutungssystemen als durchaus widerständig erweist.
Nicola Kaminski and Robert Schütze, University of Bochum, Germany.