Ausgehend von literarischen Quellen wie Brecht, Eliade, Nietzsche, Mann und Bakunin skizziert Jesi eine Phänomenologie der Revolte, die zwei Zeitlichkeiten gegeneinander stellt: die zielgerichtete Linearität der Revolution und die »Aussetzung der historischen Zeit« in der Revolte. Jesi behauptet einen grundlegenden Unterschied zwischen dem unmittelbaren Erscheinen (Epiphanie) der Idee und ihrer Erstarrung im ideologischen Kanon, zwischen der Zeit der Subversion oder des Mythos und der Zeit der Erinnerung. Damit verbindet er Mythos und Revolte und versteht die Wirklichkeit des Mythos als etwas radikal Neues, gerade weil sie sich nicht in die Zeit der Erinnerung einschreiben lässt und wieder zu einem Synonym von Wahrheit wird.
Jesi, der eine ganze Generation italienischer Denker:innen von Pasolini über Eco bis Agamben beeinflusste, zeigt das spartakistische Berlin als eine aktualisierte Version der Pariser Kommune, die dann wiederkehrt in den Revolten des Pariser Mai 1968 und den politischen Kämpfen im Italien der 70er Jahre und so politisch anschlussfähig bleibt für gegenwärtige Bewegungen, die den Status quo eines "There is no alternative" angreifen.
Furio Jesi (1941-1980), war Germanist, Mythologieforscher und Übersetzer. Er war Professor für deutsche Literatur an den Universitäten von Palermo und Genua. Zu seinen Werken zählen: Germania segreta. Mythen in der deutschen Kultur des 20. Jahrhunderts (1967; 2018); Literatur und Mythos (1968; 2002); Kultur von rechts (1979; 2011).
Frank Engster, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Hellen Panke e.V. – Rosa-Luxemburg-Stiftung Berlin. Er hat über den Zusammenhang von Maß, Geld und Zeit und um die Verschränkung von Erkenntnis- und Gesellschaftskritik veröffentlicht.
Cinzia Rivieri, Dott.ssa, ist freie Übersetzerin, Drehbuchautorin und Regisseurin.