Ich finde es faszinierend, was für verrückte Geschichten mein Gehirn nachts produziert. Und wenn ich morgens gefragt werde, wie ich geschlafen habe, dann erzähle ich auch immer wieder mal mit Begeisterung davon. Mark Blagrove würde mir wohl genau dazu raten: Der Psychologieprofessor von der Swansea University in Wales wirbt dafür, die eigenen Träume mit anderen zu diskutieren. Denn das stärke die Verbundenheit und Empathie untereinander – und beschere einem obendrein neue Einsichten (ab S. 12). Inzwischen spricht einiges dafür, dass unsere Träume weitaus mehr sind als zufällige Nebenprodukte des Schlafs. Sie scheinen eng mit aktuellen und früheren Erlebnissen, Sorgen, Interessen und Charakterzügen verbunden zu sein. So sehr, dass der Psychologe Kelly Bulkeley von knapp 1000 Träumen einer Frau tatsächlich auf ihre Persönlichkeit, Einstellungen und Gefühlswelt schließen konnte. Nicht nur unsere Träume verraten viel über unser Innenleben, sondern auch Blickbewegungen (ab S. 22) oder durch Smartphones oder Smartwatches erfasste Daten (ab S. 34). Der Psychologe Matthew Kaplan möchte mit Letzteren drohende depressive Episoden voraussehen und damit Suizidversuche verhindern. Doch wie so oft gibt es hier zwei Seiten der Medaille: Denn genau jene Technik, die Menschenleben retten könnte, birgt auch ein enormes Missbrauchspotenzial. Schließlich sind nicht nur Psychologen wie Kaplan, sondern unter anderem die Werbebranche oder Versicherungsgesellschaften aus eigennützigen Motiven daran interessiert, die Stimmung ihrer Kunden vorherzusagen – nicht unbedingt zu deren Vorteil. Ob wir nun unsere Träume teilen oder unseren digitalen Fußabdruck: Letztlich muss sich jeder darüber im Klaren sein, wem er diese intimen Details anvertrauen möchte – und wem lieber nicht. Interessante Einblicke in diese Forschungsbereiche wünscht Liesa Bauer, Redaktion Gehirn&Geist