Groß und ernst ragt der Kofel, das Wahrzeichen und schützende Felsenbollwerk Oberammergaus, mit seinem einsamen Kreuz in den Abendhimmel empor; wie eine drohend erhobene Hand, die einem andrängenden Feind das bannende Siegeszeichen entgegenhält. Es ist Abend und weithin über das stille Tal fällt der dunkle Schatten des gewaltigen Schirmers. Im verglimmenden Abendschein erglänzt fahl das einfache Kreuz, das seit Jahrhunderten dort oben steht, oftmals erneut, aber immer in derselben Größe, daß es weithin gesehen wird von den Scharen, die aus der Tiefe heraufpilgern, sehnsüchtig ausschauend nach dem Endziel der beschwerlichen Fahrt über die steilen und unwirtlichen Gebirge. Es ist Freitag. Eine lange Wagenreihe wälzt sich wie eine große Schlange den Ettaler Berg herauf. Zwei hochelegante Landauer zeichnen sich von dem Troß besonders aus. Der vordere mit vier Pferden bespannt, und diese prachtvoll aufgeschirrt, eine geschlossene Krone auf dem Riemenzeug, übermütig tänzelnd in dem langsamen Zug, als wäre der Aufstieg über den Ettaler Berg für Tiere dieser Rasse ein Spaß. Im ersten Wagen, der aufgeschlagen ist, lehnt ein Herr und eine Dame, stumm, blasiert, teilnahmlos gegen die Umgebung und anscheinend auch gegeneinander; im zweiten sitzt eine Kammerfrau, ein Kammerdiener und hoch oben auf dem Bock der Reisemarschall mit der vornehmen Amtsmiene, die der Welt verkündet, daß es ein großes Haus sei, dem er die Ehre habe zu dienen, und diesem überall die teuersten Preise zu sichern! Die Gebieterin dieses stolzen Gefolges ist trotz ihrer gesenkten Wimpern und ihrer fast leblosen Miene von so eigenartiger Schönheit, daß sie auch aus dem Gewirr von Schleiern und Shawls heraus auffallen muß. Dunkelblondes, seidenweiches Haar umspinnt wie ein duftiges Gewebe ihre Stirn und breitet einen warmen Schimmer über ein Gesicht, bleich wie eine Teerose ...